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Pia Neumann over International Holocaust Memorial Day 2021

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Gedanken anlässlich des Internationalen Holocaust Gedenktages und darüber hinaus. Verdrängen, Gedenken und Verantwortung – Retroperspektive und Zukunftsaussichten

Im Wertheimpark im Osten Amsterdams. Stille. Mittwoch, der 27. Januar. Ich stehe vor dem Auschwitzmonument in der Mitte des Parks – den gebrochenen Spiegeln. Das Wetter ist schlecht und es regnet – als trauere die Natur an diesem Tag mit.

Wenn Frau L. hier am „Spiegelmonument“ ihre Rundführungen durch das ehemalige jüdische Viertel Amsterdams beendet, in denen sie auch von den Verbrechen des Holocaust erzählt, haben die Besucher einen Moment der Reflexion und des Gedenkens für sich. Sie fragt sie dann, was sie in den gebrochenen Spiegeln sehen und was es für sie bedeutet. Antworten waren: Gebrochene Leben, wenn man sich selbst gespiegelt sieht, zerbrochene Familien; die Welt ist gebrochen; die Menschlichkeit und Liebe sind kaputt gegangen.

Auf dem Boden spiegelt sich der Himmel. Er ist gebrochen und wird hier niemals mehr unversehrt sein.

Ohnmacht nach dem Krieg
Am 27. Januar, dem internationalen Holocaust Gedenktag, wird in vielen Teilen der Welt an den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee gedacht. In diesem Lager sind über eine Million Menschen, meist europäische Juden, ermordet worden – der Großteil von ihnen vergast. Auschwitz ist Symbol geworden für die Verbrechen und Gräueltaten des Holocaust an Millionen von Menschen. In Deutschland ist seit 1996 dieser Tag Ende Januar ein bundesweiter Gedenktag. Hier wird allen Opfern des Nationalsozialismus gedacht – neben Juden und Jüdinnen auch den aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Verfolgten, Sinti und Roma, ZwangsarbeiterInnen, Oppositionellen, Opfern der Euthanasie, die entrechtet und ermordet wurden. Neben einer Gedenkstunde im Bundestag werden um diesen Tag herum verschiedene Programmpunkte, Ausstellungen und Lesungen organisiert. In den Schulen sollen in dieser Zeit der Holocaust, Genozide und Verbrechen gegen die Menschlichkeit Bestandteil des Unterrichts sein.

In den Niederlanden ist der letzte Sonntag im Januar zentraler nationaler Gedenktag geworden. Die Gedenkfeier am Auschwitz Monument wurde nach dem Krieg von dem „Niederländischen Auschwitz-Komitee“ ins Leben gerufen und wird durch dieses in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen veranstaltet. Aber erst im Laufe der letzten 10 Jahre, seitdem die Gedenkfeier offiziell durch die Regierung den Status „Nationale Holocaust Herdenking“ bekam, ist diese  wirklich national begangen worden und hat eine breitere Aufmerksamkeit erhalten.

Begonnen hat alles allerdings im kleinen Kreis. Das „Auschwitz-Gedenken“ wurde nach dem Krieg durch Überlebende von Auschwitz ins Leben gerufen. Es war ein Tag, um zusammen zu kommen, der Familien zu gedenken und beieinander zu sein. Zur selben Zeit fehlt im niederländischen Lehrplan der Nachkriegsjahre jede Spur von einer Ansprache der Mitschuld und Verantwortung  der Bevölkerung sowie Regierung in Bezug auf die Verfolgung von Juden/Jüdinnen und anderer Minderheiten. Die Niederländer seien per se im Widerstand gewesen – über Juden wurde nicht gesprochen, sondern über Widerstandskämpfer, die Helden des Krieges und das Militär.  „Es wurde am Anfang nur derer gedacht, die wegen ihrer Taten ermordet wurden und nicht derer, die allein aufgrund dessen, wer sie waren, ermordet wurden – so wie zum Beispiel die jüdischen Opfer.“ (Maud van de Reijt).

 

… und in Deutschland?
In der DDR (Ostdeutschland) fand das Erinnern auch auf einer anderen Ebene statt. Meine Mutter, geboren und aufgewachsen in Ostberlin, erinnert sich: „Wir haben eigentlich nur der kommunistischen Widerständlern gedacht. Unsere Großeltern und Eltern haben über die Kriegszeit weitestgehend geschwiegen. Eine Aufarbeitung des Holocaust gab es unter unserer sozialistischen Regierung nicht.“ Und auch der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck beschrieb diesen Zustand in seiner Rede im Rahmen der jährlich stattfindenden „Nie mehr Auschwitz“ Lesung: „Ich verachtete die Generation meiner Eltern dafür, dass sie über all das den Mantel des Schweigens, des Vergessens und des Verdrängens hüllten. Die Befassung mit der eigenen Schuld, mit Mitläufertum oder eigenen Verbrechen – sie entstand in Deutschland erst spät und unter Schmerzen.“ Man verzichtete auf politischer Ebene auf historische Verantwortungs- übernahme, indem man auf die Entnazifizierung und die antifaschistische Ideologie des Landes verwies. In der Realität waren in der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) sehr viele ehemalige NSDAP Anhänger dann Mitglieder der Partei und auch in Spitzenpositionen. Im Westdeutschland (BRD) der 50er Jahre zeigten sich ähnliche Strukturen. Auch hier fanden sich in öffentlichen Ämtern viele ehemalige Mitglieder und Funktionäre der NSDAP. Die Aufarbeitung und das öffentliche Anerkennen von Schuld an den Verbrechen an den europäischen Juden, Sinti und Roma, dauerten auch in der BRD. Den berühmten Kniefall Willy Brands 1970 vor dem

„Warschauer Ghetto-Ehrenmal“ – eine Geste als Zeichen der Versöhnung – betitelten laut einer damaligen Umfrage rund die Hälfte der Westdeutschen als „übertrieben“.

Ein verantwortungsvoller Umgang mit Aufarbeitung und umfassender Bildung, dauerte noch lang. Diskutiert wird heute, in welchem Maße die Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung Ost-und Westdeutschlands nach dem Krieg stattgefunden hat. Dazu gibt es, selbst in meiner eigenen Familie, verschiedene Sichtweisen und Erinnerungen. Hier ist allerdings zu beobachten, dass sich die älteren Generationen eher an eine Bildung über die Judenverfolgung und andere Verbrechen des NS-Regimes erinnern können, als die Generation meiner Eltern. Fakt ist aber, dass ein direkter Austausch mit der Kriegsgeneration selbst, über die Geschehnisse und Verbrechen zu Zeiten des Krieges, nicht oder nur sehr begrenzt stattfand.

 

Der Weg vom Verdrängen zur Aufarbeitung
Es gab ein kollektives Schuldgefühl, das erdrückend war und niemand konnte die Vergangenheit händeln. Mit dem eigenen Handeln und Nicht-Handeln in der NS-Zeit wollten sich die meisten Menschen (weder öffentlich noch privat) nicht auseinandersetzen. Auf politischer Ebene war Aufarbeitung auch nicht vorgesehen, denn daraus hätte eine öffentliche Mitschuld resultiert und Verantwortung übernommen werden müssen. Auch für die Niederländer war die Aufarbeitung zunächst mit der eindeutigen Schuldzuweisung abgeschlossen: Deutschland war allein für das Grauen verantwortlich – die Niederlande nicht.

Mit dem Eichmann Prozess in den 60ern in Jerusalem kam das Thema Holocaust in Deutschland, in den Niederlanden, aber auch international, in das öffentliche Bewusstsein. Der Anklageprozess des ehemaligen SS-Funktionärs Adolf Eichmann, der Hauptverantwortlicher war für die Massenermordung der europäischen Juden, wurde international über die Medien verfolgt. Im Rahmen des Prozesses kamen auch Überlebende zu Wort und berichteten in der Öffentlichkeit über ihre Erlebnisse – und öffneten damit der Welt die Augen. Zu der Entwicklung der Aufarbeitung trugen in den 50er bis 70er Jahren auch bekannte Publikationen bei, wie „Das Tagebuch der Anne Frank“, Hannah Arendts Buch über den Eichmann Prozess, sowie die US-produzierte Serie über den Holocaust „Die Geschichte der Familie Weiss“. Diese Veröffentlichungen riefen nun auch den Holocaust und seine Verbrechen als eine zentrale Erinnerung des 2. Weltkrieges wach. Es waren dann aber auch Einzelne – Überlebende, Anwälte, Aktivisten, die den Prozess des Erinnerns und der Aufarbeitung vorantrieben. Die Kinder und Enkelkinder der Kriegsgeneration fingen an, mit der Studentenbewegung in den 60er Jahren, das Schweigen ihrer Eltern und Großeltern zu durchbrechen und Fragen zu stellen.

Zunächst bedeutete durch diese Entwicklungen das Erinnern: Sich die Realität des Holocaust als Verbrechen unter dem NS-Regime und seine eigene Rolle in diesem Zusammenhang einzugestehen und bewusst zu machen. Es hieß Verantwortung zu übernehmen für die Vergangenheit.

Heute heißt Erinnern Gedenken und Verantwortung zu übernehmen – für die Zukunft.

 

Das öffentliche Gedenken wächst
2005 riefen die Vereinten Nationen den 27. Januar als „International Holocaust Remembrance Day” aus. Dadurch erlangt auch die nationale Gedenkfeier in den Niederlanden mehr Aufmerksamkeit. Hier versammeln sich Jahr für Jahr immer mehr Menschen. In 2021 war es nun aber eine Gedenkfeier in einem leeren Wertheimpark mit nur wenig ausgewählten Anwesenden. Wir Zuschauer können uns diesmal leider nur digital dazu schalten.

Das Gedenken, wie wir es heute kennen, wurde hart erarbeitet und durch Wissenschaft untermauert, gegen viele Widerstände. Auch das nationale Gedenken des Holocausts in den Niederlanden wächst, es wurde viel Aufarbeitung geleistet und es werden Fortschritte gemacht.

Im vorigen Jahr hat Premierminister Rutte in seiner Rede zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, um Entschuldigung gebeten für die Rolle der niederländischen Regierung, die ihr bei der Judenverfolgung während der deutschen Besetzung zukam: Mitwirken mit den Besatzern an der Verfolgung, zu wenig Schutz, zu wenig Widerstand. Ein historischer Schritt zur Anerkennung von Schuld. Er und die Bürgermeisterin der Stadt Amsterdam, Zeitzeugen, Angehörige der 2. und 3. Generation, sowie auch das nationale Fernsehen, waren in diesem Jahr bei der nationalen Gedenkfeier anwesend. Zeitzeugen, aber auch Vertreter der Enkel- und Urenkelgenerationen, erzählen die Geschichten ihrer Familien in bewegenden Reden und stehen gemeinsam gegen das Vergessen. Alle sind emotional sehr mitgenommen und auch ich, als Betrachterin via Bildschirm, bin von ihren Erzählungen sehr berührt. Die Opfer bekommen durch sie ein Gesicht, einen Namen, eine eigene Geschichte.

 

Gegen den ,Mythos’ Auschwitz
Diese ,Oral History’ (mündliche Geschichte) durch Zeitzeugen, wodurch auch bei der Gedenkfeier im Wertheimpark dem Holocaust gedacht wurde, ist von zentraler Wichtigkeit für unsere Erinnerungskultur. Es sind die Erzählungen von Individuen, mit denen sie stellvertretend auch für das Leid Millionen anderer Opfer stehen. Zeitzeugenstimmen prägen nicht nur unser Verständnis der Vergangenheit und tragen zu einem komplexeren Bild der Geschehnisse bei. Sie können uns diese auch auf eine wichtige Weise vermitteln, indem sie dem abstrakten Grauen und seinen Opfern ein Gesicht geben. Die Zeitzeugen sind moralische Zeugen. Sie fühlen sich verpflichtet, uns ihre Vergangenheit zu erzählen. Verpflichtet gegenüber dem Leid ihrer Familien, aber auch verpflichtet, zur Aufklärung beizutragen und die Möglichkeit der Wiederholung eines solchen Grauens in der Zukunft zu verhüten. Antrieb, ihre schmerzhaften Schicksale immer wieder aufs Neue zu erzählen, ist auch die Hoffnung, für ein Leben in Frieden, mit Toleranz und Freiheit für die neuen Generationen.

Ich merke es an meinen eigenen Gedanken, wenn ich zu der Thematik recherchiere: Ich kann mir zwar vorstellen und ein Bild machen, von dem was passiert ist, aber das Ausmaß dieses Grauens, ist für uns, vor allem als neue Generation, nicht fassbar. Verfolgung, das Leben in ständiger Angst, die Deportationen, Entrechtung, Entmenschlichung, barbarische Tötungen – das alles wird abstrakt und unvorstellbar.

Da kann es schnell passieren, dass Auschwitz zu einem Mythos des Bösen wird – wo wenige Menschen, die das Böse verkörpern, andere Menschen vernichteten. So wird schnell die Sicht auf Täter, aber auch auf die Opfer und deren Leid verzerrt. Das ist kein historisches Bewusstsein.

An dieser Stelle sind persönliche Geschichten von Zeitzeugen und ihre mündlichen Überlieferungen der Ereignisse von zentraler Wichtigkeit. Wir können uns viel besser identifizieren durch das individuelle Leid, mehr als durch bloße Fakten und Zahlen. Man fühlt sich ergriffen und betroffen- aber diese emotionale Regung, seine Seele dieser Gewalt und diesem Schrecken gegenüber zu öffnen und es zu erkennen – das schafft nachhaltig ein Bewusstsein für die Verbrechen. Nur wenn wieder mehr Menschen es wagen hinzuschauen und zuzuhören, kann das Gedenken im öffentlichen Bewusstsein verankert bleiben, kann verhindert werden, dass solch Grauen wieder passiert.

 

Die Verantwortung meiner Generation
In Deutschland fühlen wir uns noch immer befangen und belastet von der Vergangenheit. Aber beim Gedenken rund um den 27. Januar geht es für die neuen Generationen nicht mehr um Schuld, denn biographisch bedingte Schuldgefühle spielen für uns heute im Bezug auf die NS-Zeit keine Rolle mehr. Heute geht es um zukunftsorientierte Verantwortung und kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Wir haben den zeitlichen Abstand zu den Geschehnissen – darin liegen Gefahren, aber auch Chancen.

Joachim Gauck beschreibt in seiner Rede: „… die zunehmende Distanz kann mitunter auch ein Vorteil sein. Ich erlebe immer wieder, dass sich Enkel und Urenkel der schambehafteten Vergangenheit offener und uneingeschränkter zu stellen vermögen, als ihre Eltern und Großeltern.“

Meine Urgroßeltern haben über die Geschehnisse zur NS-Zeit und des Krieges nicht oder wenig mit ihren später geborenen Kindern und Enkeln gesprochen. Wir haben die Möglichkeit, die Vergangenheit sachlicher zu beleuchten, da wir nicht so eng mit ihr verknüpft sind. Da unsere Urgroßelterngeneration so wenig über diese Zeit gesprochen hat, kann ich aus meiner heutigen Perspektive nicht ausmachen, was konkret alles zu dieser Ablehnung und Verschlossenheit führte, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Wir können uns heute sachlicher mit ihr befassen, Geschichte offener kommunizieren und uns informieren. Meine Generation befindet sich in einer besonderen Position. Wir können uns von der Vergangenheit zwar keine persönlich erlebte Vorstellung mehr machen, haben aber noch genug Bezug, dass das Thema Kontur hat – es noch lebendig bleibt, weil mancherorts noch Kontakt zu Zeitzeugen besteht, die Auskunft geben. Aber nur wenige Überlebende können ihre Geschichten noch erzählen. Genau deswegen müssen wir jetzt zuhören. Wir alle sollten Interesse an den Geschichten der Zeitzeugengeneration zeigen, solange es noch möglich ist zu fragen und zuzuhören.

Außerdem können wir mit Gedenkstättenbesuchen und Zeitzeugengesprächen zu einem besseren eigenen Verständnis beitragen. Für viele ist das Geschehen einfach noch zu abstrakt. Mit einem direkten physischen Bezug, wird die Vergangenheit greifbarer und dadurch ist evtl. für viele erst ein Schritt in Richtung Geschichtsbewusstsein möglich.

Die neuen Generationen tragen keine Schuld an dem, was geschehen ist. Jedoch tragen wir Verantwortung für das, was noch kommt. Deswegen müssen wir wachsam sein, dass der zunehmende zeitliche Abstand zum Erinnerten nicht zu einem ,Mythos’ Auschwitz und zum Vergessen führt. Gegensätzlich zu der erhöhten Aufmerksamkeit der Verbrechen des NS Regimes durch Medien und Schule, ist nämlich fraglich, ob die neuen Generationen auch besser wissen und verstehen, was damals passiert ist. Nach einer Umfrage der Körber-Stiftung von 2017 wissen knapp 1/3 der Schülerinnen und Schüler über 17 Jahren nichts mit dem Ort ,Auschwitz-Birkenau’ anzufangen. Das ist eine erschreckende Anzahl an Unwissenden.

Manchmal wird von Vertretern der neuen Generationen keine Notwendigkeit gesehen, in die Vergangenheit zurückzublicken und sich mit den Verbrechen auseinanderzusetzen. Es fallen Argumente wie: Warum sollten wir uns damit beschäftigen, wenn so etwas, in unserer nun doch so hochentwickelten Gesellschaft, in einer Zeit von selbstfahrenden Autos und Zoom-Konferenzen, doch niemals wieder geschehen kann? Aber auch heute ist Antisemitismus, Rassismus und die Ausgrenzung von Minderheiten noch und wieder Thema – auch in der Gemeinde am Rande Berlins, in der ich vor meinem Auslandsjahr wohnte. Dort wurde in den letzten Jahren mehrfach das jüdische Denkmal beschädigt und ein jüdisches Fest gestört. Des Weiteren werden durch verschiedenste Gruppen und Nationalitäten Männer mit Kippa auf der Straße verbal belästigt und in einigen Fällen körperlich attackiert. Für junge Juden und Jüdinnen ist es Normalität, dass in ihren Städten die Synagogen und Schulen zu den sichersten und am besten bewachten Gebäuden gehören. Letzteres ist kein Privileg, sondern leider notwenige Maßnahme zum Schutz. Woanders werden auf rechtsextremistischen Rockfestivals auch antisemitische Lieder gesungen und der Hitlergruß normalisiert. Und auch um Sinti und Roma besteht noch ein Stigma. Eine öffentliche Kundgabe des ethnischen Hintergrunds kann z.B. zu Diskriminierung auf dem Job- und Wohnungsmarkt führen. Daher darf man vor jeder Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten, auch im kleinen Kreis, seine Augen nicht verschließen, damit sie nicht struktureller Natur bleiben oder werden.

Die Verantwortung meiner Generation ist, Fragen zu stellen, sich der Vergangenheit bewusst zu werden, darüber zu sprechen, aus ihr zu lernen und später das Wissen weiterzugeben.

In diesem Kontext lautet eine Warnung von Janek Mandelbaum (Auschwitz Überlebender): „Wenn es eines gibt, was ich den jungen Generationen heute sagen würde, dann dies: Glauben Sie nicht, dass Sie zu intelligent oder zu modern oder zu hochentwickelt sind, um das Undenkbare zu tun.“

 

Zukunftsaussichten
Wie wird dann vielleicht eine Gedenkfeier zum 100. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz aussehen? – Wir stehen jetzt wieder an der Schwelle zu einer neuen Erinnerungskultur. Das Gedenken steht vor neuen Herausforderungen.

Jetzt, knapp einen Monat nach der nationalen Auschwitz-Gedenkfeier, mache ich mir Gedanken über die Zukunft der Erinnerung. Regelmäßig darf ich den Zeitzeugen J. besuchen. Für mich sind die regelmäßigen Gespräche mit ihm wichtig, dass Auschwitz für mich nicht zum Mythos wird. Wenn er mir manchmal über seine Vergangenheit und das Schicksal seiner Familie erzählt, wird mir klar; dieses Leid war und ist Realität. Mir wurde jetzt aber auch bewusst, dass ich wohl Teil der letzten Generation bin, die noch das Privileg hat, von Zeitzeugen zu lernen und ihre Schicksale von ihnen direkt zu hören. Heute sind die Zeitzeugen in ihren Achtzigern und älter. Es werden immer weniger, die den neuen Generationen ihre Geschichten näher bringen können. Wie wird sich das Erinnern und Gedenken verändern, wenn diese Möglichkeit des direkten Dialogs mit Zeitzeugen nicht mehr möglich sein wird und sie, die als Stimme der Erinnerung das Gedenken wahrten, nicht mehr bei uns sind?

Für Menschen jeglicher Herkunft bleiben vor allem die konkreten Einzelschicksale wichtig – diese Geschichten gehen nahe. Auch in Zukunft muss den Opfern weiterhin ein Gesicht gegeben werden und eine eigene Geschichte. Hologramme von Überlebenden, gespeicherte Interviews, niedergeschriebene Tagebücher und Erzählungen, können den zukünftigen Generationen einen Zugang zu den Schicksalen von Einzelpersonen verschaffen. Diese Geschichten müssen bewahrt und weitergegeben werden, sodass wir auch in Zukunft nicht den Bezug zu den Individuen verlieren und sie nicht in einem abstrakten Mythos untergehen.

Als Rundführerin hat Frau L. auch viel Kontakt mit Menschen aus aller Welt. „Sie wollen immer nur über Anne Frank reden“, sagt sie. Sie entgegnet daraufhin dann, dass wir alle auch unsere eigene Geschichte haben. „Ich trage die Geschichte von meiner Familie bei mir“. Wenn sie den Touristen dann erzählt, dass 104.000 Juden und Jüdinnen aus den Niederlanden ermordet wurden, reagieren viele mit Verwunderung und Schock. „Was denn, so viele?“ – „Ja! Anne Frank war eine von ihnen – und meine Familie war auch Teil davon.“  „Es sind nicht 6 Millionen Juden ermordet worden, sondern es wurde ein Jude ermordet – und das 6 Millionen mal.“ (Abel Herzberg) – Ein jeder mit einer eigenen Geschichte. Nur die wenigen Überlebenden können ihre noch erzählen. Gedenken und den Opfern nachhaltig eine Stimme geben hilft, dass sie niemals aus unserem kollektiven Bewusstsein verschwinden und immer eine Warnung bleiben. „Auschwitz ist nicht vom Himmel gefallen“ (Alexander Van der Bellen). Die Erzählungen von Tätern und den Entwicklungen, die zu diesen Verbrechen führten, sollten genauso weitergegeben werden, wie die Schicksale der Opfer. Die Holocaust-Professorin Steinbach drückt es folgendermaßen aus: „Die Shoah ist ein Ereignis von einer solchen historischen Tragweite, dass man sich immer wieder ganz genau anschauen muss, was da eigentlich passiert ist und wie es dazu kommen konnte.“

Wir müssen in Zukunft dafür sorgen, auch bei den neuen Generationen das Interesse zu wecken für die Vergangenheit, egal woher sie kommen. Ein Tag, wie der 27. Januar, kann Anlass sein, um Inne zu halten – damit die Vergangenheit nicht im Alltag verschwindet.

 

Sei nicht gleichgültig!
Niemals mehr Auschwitz bedeutet : weiterhin Erinnerung am Leben halten – damit der Holocaust nicht einfach nur eine Seite im Geschichtsbuch und zur eingestaubten Mythologie wird. Es ist unsere Aufgabe zu erinnern und zu warnen, was sein kann. Damit die Welt auch in Zukunft nicht vergisst, wozu der Mensch im Stande sein kann. Es reicht aber nicht nur zu sagen: ‚Nie mehr Auschwitz!‘ Wichtig ist, zu erkennen, was hinter diesem Imperativ steht: den Opfern gedenken, im Heute wachsam sein, gegenüber Entwicklungen von Diskriminierung, Hass und Rassismus – und uns vor Augen führen, wohin diese letztlich führen können. Das Verbrechen, die Gräueltaten, was Menschen anderen Menschen angetan haben – als Mahnung zu verinnerlichen. Das Gedenken zu wahren ist unsere Verpflichtung und diesem sollte, durch verschiedene Momente über das Jahr, auf verschiedenen Wegen Gestalt gegeben werden. Es soll jedoch nicht bloßes ritualisiertes Erinnern sein.

Der Auschwitz Überlebende Marian Turski drückt die neue Dringlichkeit des Erinnerns, aber auch den Perspektivwechsel von Vergangenheit auf Zukunft, von Schuld zu Verantwortung, folgendermaßen aus: „Wenn ich heute jungen Menschen begegne, wird mir bewusst, dass sie nach 75 Jahren des Themas etwas überdrüssig sind: sowohl des Krieges, als auch des Holocaust, der Shoah, des Genozids. Ich verstehe sie. Deshalb verspreche ich euch, ihr jungen Menschen, dass ich euch nicht von meinem Leid erzählen werde. Ich werde euch nicht von meinen Erlebnissen erzählen, von meinen zwei Todesmärschen, davon, wie ich das Kriegsende erlebt habe, bei dem ich 32 Kilogramm wog, am Rande der Erschöpfung und des Lebens. Ich werde nicht davon erzählen, was am schlimmsten war, das heißt von der Tragödie, von meinen Nächsten getrennt zu werden, wenn du nach der Selektion ahnst, was sie erwartet. Nein, darüber werde ich nicht sprechen. Ich möchte mit der Generation meiner Tochter und der Generation meiner Enkelkinder über sie selbst sprechen.“

Es geht am Ende um Verantwortung, die Menschen in der Vergangenheit trugen und die jeder in der Gegenwart und für die Zukunft trägt. Denn was wir heute tun, wirkt sich auf das Morgen aus.

Der Zeitzeuge M. Turski appelliert: „Seid dem Gebot treu. Dem elften Gebot: Du sollst nicht gleichgültig sein! Denn wenn du gleichgültig sein wirst, so wird, ehe du dich versiehst, auf euch, auf eure Nachfahren plötzlich irgendein Auschwitz vom Himmel fallen.“

 

MIT GEDENKEN NICHT GLEICHGÜLTIG GEGENÜBER DER VERGANGENHEIT

MIT MENSCHLICHKEIT NICHT GLEICHGÜLTIG IN DER GEGENWART

MIT BILDUNG UND GESCHICHTSBEWUSSTSEIN NICHT GLEICHGÜLTIG IN DER ZUKUNFT

 

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